Berlin

Umweltschutz ist „brennende Frage der Gerechtigkeit“

Lärm, schlechte Luft, Mangel an Grünflächen und Hitzebelastung: Negative Umweltfaktoren häufen sich in Berlin besonders in Kiezen, in denen ärmere Menschen wohnen. Darunter sind auch einige der 32 Quartiersmanagement-(QM)-Gebiete, wie der neue Umweltgerechtigkeits-Atlas des Berliner Umweltsenats zeigt.

Die Lebens- und Umweltqualität in den Quartieren der Hauptstadt sind sehr unterschiedlich. Vor allem im hochverdichteten Innenstadtbereich konzentrieren sich gesundheitsrelevante Umweltbelastungen. (Bild: AdobeStock/Maurice Tricatelle / Collage SenUMVK)
Die Lebens- und Umweltqualität in den Quartieren der Hauptstadt sind sehr unterschiedlich. Vor allem im hochverdichteten Innenstadtbereich konzentrieren sich gesundheitsrelevante Umweltbelastungen. (Bild: AdobeStock/Maurice Tricatelle / Collage SenUMVK)

Dichte Bebauung, wenig Grün, viel Verkehr: die Ballung von vier potenziell gesundheitsschädlichen Umweltbelastungen (Lärm, schlechte Luft, Mangel an Grünflächen und Hitzebelastung) trifft besonders häufig sozial benachteiligte Menschen. Das zeigt der aktuelle Umweltgerechtigkeitsatlas von der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (SenUMVK) in Zusammenarbeit mit dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg sowie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen.

Armut und wenig Grün: Kieze in Neukölln und Mitte am stärksten betroffen

Laut Bericht ist der Bezirk Mitte mit am stärksten belastetet: Zusammen mit Neukölln ist der Bezirk Spitzenreiter, was die soziale Belastung betrifft, und negativer Spitzenreiter bei der Grünflächenversorgung. Zudem ist er unter den drei am stärksten
belasteten Bezirken bei der Klima- und Luftbelastung. 21 Prozent der am stärksten (vier- oder fünffach) belasteten Bevölkerung leben im Bezirk Mitte.

Der Planungsraum Glasower Straße in Neukölln gehört zu den berlinweit zwei Gebieten, die von allen fünf Belastungsfaktoren betroffenen sind - sehr niedriger sozialer Status, schlechte Luft, viel Lärm, wenig Grün, Hitzeballung im Sommer. Insgesamt weist der Bezirk im Vergleich zu gesamt Berlin eine leicht überdurchschnittlich hohe Anzahl von Gebieten mit drei oder mehr Belastungen auf, darunter auch die Kieze um Flughafenstraße und Donaustraße.

Treptow-Köpenick hat die beste Luft

Treptow-Köpenick zählt mit Steglitz-Zehlendorf zu den quantitativ am wenigsten von Umweltbelastungen betroffenen Bezirken. Auch der Bezirk Marzahn-Hellersdorf gehört hinsichtlich der Belastungen zu den weniger betroffenen Bezirken. Die gesundheitsschädlichen Umwelteinflüsse im Bezirk Spandau sind im Berlinvergleich als moderat einzustufen. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg rangiert diesbezüglich im Mittel der Berliner Bezirke.

Ziel ist, Lebensqualität in belasteten Gebieten zu erhöhen

Umweltsenatorin Bettina Jarasch: „Die Aktualisierung des Umweltgerechtigkeitsatlas ist ein wichtiger Schritt, um zu sehen, in welchen Kiezen Menschen besonders hohen gesundheitsschädlichen Umweltbelastungen ausgesetzt sind. Der Atlas zeigt uns, auf welche Kieze wir unser Augenmerk für entsprechende Programme richten müssen und er bestätigt, dass Umweltschutz nach wie vor eine brennende Frage der Gerechtigkeit ist: In Berlin sind immer noch Menschen mit niedrigem sozialen Status besonders häufig hohen Umweltbelastungen ausgesetzt – sie leben in Kiezen mit viel Verkehr und wenig Grün. Wir müssen es schaffen, die Lebensqualität gerade in diesen mehrfach belasteten Gebieten zu erhöhen.“

Städtebauförderung hat Klimaschutz fest im Blick

Seit 2020 ist in allen Teilprogrammen der Städtebauförderung die jährliche Umsetzung von klimaschutzbezogenen Maßnahmen und Klimaanpassungsmaßnahmen eine verbindliche Fördervoraussetzung und trägt verstärkt zur Umweltgerechtigkeit bei. Gemeint sind insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der grünen Infrastruktur wie beispielsweise Schaffung, Erhalt oder Erweiterung von Grünflächen und Freiräumen ebenso wie deren Vernetzung. Förderfähig sind aber auch die energetische Gebäudesanierung, klimafreundliche Mobilität oder die Nutzung klimaschonender Baustoffe.
 
Für das Programm „Sozialer Zusammenhalt“ gilt dies insbesondere für die investiven Maßnahmen (Baufonds). Aber auch „Soziale Klimaprojekte“ im Projektfonds und Aktionsfonds sollen zu einer positiven Bewusstseinsbildung und Haltung gegenüber Klimaschutz und Klimaanpassung führen. Weitere Informationen gibt es dazu auf der Überblicksseite zum Thema „Klimaschutz und Klimaanpassung“.

Über den Umweltgerechtigkeitsatlas

Der Bericht untersucht die Verteilung von vier gesundheitsschädlichen Umweltbelastungen (Lärmbelastung, Luftverschmutzung, thermische Belastung (Hitze), mangelnde Grünversorgung). Außerdem zeigen die Daten, wie hoch die soziale Benachteiligung in den einzelnen Kiezen ist (nach dem Monitoring Soziale Stadtentwicklung). Grundlage für die Kartierung sind die Planungsräume der lebensweltlich orientierten Räume, also die Kiezebene.  Das Land Berlin hat 2019 bundesweit als erster Metropolenraum ein Konzept der Umweltgerechtigkeit erarbeitet. Die Karten und Daten, die jetzt zum ersten Mal aktualisiert wurden, sollen 2023/24 erneuert werden.