Interview: "Motor, Motivator und Moderator"

„Vom vergessenen Stadtteil zu starken Selbsthilfestrukturen“: Michael Klinnert, Teamleiter des Quartiersmanagements Magdeburger Platz, zieht im Interview eine Bilanz aus 16,5 Jahren Arbeit in Tiergarten-Süd.

Wie verliefen die Anfänge des Quartiersmanagements bei Ihnen im Kiez? Welche Hürden mussten anfänglich überwunden werden?

Das Quartiersmanagement Magdeburger Platz begann seine Arbeit am 1. Juli 1999. Im Schatten der direkt im nordöstlich angrenzenden, boomenden Potsdamer Platz-Bebauung waren die „trading down“-Tendenzen im Gebiet - insbesondere entlang der Potsdamer Straße - unverkennbar. Der Nimbus als „vergessener Stadtteil“ wich angesichts der nun eintretenden Aufmerksamkeit durch Senats- und Bezirksverwaltung. Im Quartier selbst machte sich so etwas wie Hoffnung und Aufbruch bemerkbar. Mit den jetzt in das Gebiet gelenkten Geldern ließen sich nicht nur die deutlich sichtbaren Defizite im Wohnumfeld oder bei der sozialen Infrastruktur angehen, sondern auch die Probleme im nachbarschaftlichem Zusammenleben oder bei den Integrationshemmnissen.

Zum Start seiner Arbeit konnte das QM-Team (Träger: Stadtteilverein Tiergarten e.V.) anknüpfen an die erfolgreiche Arbeit zur „Bürgerbeteiligung bei stadtplanerischen Prozessen“. Entscheidend aber als Arbeitsgrundlage waren die Ergebnisse eines Bürgergutachtens mit per Zufallsverfahren gefundenen Teilnehmern aus der Bürgerschaft und einem Workshop mit Gewerbetreibenden. Für das Quartiersmanagement-Team waren diese Ergebnisse – Ideen und Visionen für eine nachhaltige Stärkung des Quartiers – Richtschnur und wurden Bestandteil des mit den Verwaltungen abgestimmten Integrierten Handlungs- und Entwicklungskonzepts (IHEK).

Rückblickend auf die vielen spannenden Jahre Quartiersmanagement: Auf welche Veränderungen oder gelungenen Aktionen im Kiez sind Sie besonders stolz?


Die 16,5 Jahre Quartiersmanagement Magdeburger Platz waren nicht nur spannend, sie waren in den ersten Jahren sogar recht aufregend. Später kam mit der Routine allerdings auch teilweise Ernüchterung. Wohn- und Lebensbedingungen vor Ort wurden mit Hilfe des Programms Soziale Stadt aufgewertet und stabilisiert. Das war das Ziel. Das Ziel erreicht zu haben ist Verdienst vieler Akteure.

Das Quartiersmanagement war Motor, Motivator und Moderator in diesem Entwicklungsprozess. Es sind nicht so sehr die erfolgreichen Maßnahmen und Projekte, die stolz machen, es ist eher die gelungene, intensive Einbeziehung aller relevanten Akteure, insbesondere derer vor Ort, in das Quartiersmanagement-Verfahren. Die Kommunikation im Stadtteil hat sich intensiviert. Bewohner, Netzwerk- oder Interessensgruppenvertreter kommunizieren die Belange der Stadtteilentwicklung in ihren Reihen weiter. Und das, so scheint es eindeutig, wird auch über die Zeit des Quartiersmanagements hinaus so sein.

An welchen Stellen haben das Quartiersmanagement und die eingesetzten Mittel aus dem Programm "Soziale Stadt" besonders effektiv gewirkt?

In den ersten Quartiersmanagement-Jahren wurden viele Baumaßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes und der sozialen Infrastruktur umgesetzt. Direkt sichtbar, als Zeichen beginnender positiver Entwicklungen. Insgesamt aber überwogen während der gesamten QM-Laufzeit  anzahlmäßig - die Maßnahmen zur Verbesserung bzw. zum Aufbau von soziokulturellen Strukturen.

Wie geht es jetzt im Quartier weiter? Welche Maßnahmen sind geplant?

Die im Jahr 2014 aufgestellten Verstetigungsstrategien und die im Aktionsplan 2015/2016 benannten Aufgaben zielten auf einen erfolgreichen Übergang in die Zeit nach dem Quartiersmanagement. Die Weichen für ein von der Bürgerschaft getragenes und selbstorganisiertes Beteiligungsgremium sind gestellt – vom Quartiersrat Magdeburger Platz  zum Stadtteil-Forum Tiergarten Süd. Mit diesem Gremium und dem Stadtteil-Netzwerk insgesamt sind starke Selbsthilfestrukturen gelegt.

Mit dieser Voraussetzung kann die sozialraumorientierte und integrierte Stadtteilentwicklung fortgesetzt werden. Der Bezirk Mitte setzt hierfür ab 2017 eine Stadtteilkoordination („Stadtteilkümmerer“) als Bindeglied zwischen Stadtteil und Bezirksverwaltung / Bezirkspolitik ein. Die bauliche Fertigstellung des „Ankerpunktes“ – ein Name ist bereits gefunden: „Kiez Zentrum Villa Lützow“ – wird leider nicht mehr in Quartiersmanagement-Zeit erfolgen. Mehrfach wurde der Baubeginn verschoben. Einer ernsthaften Prognose, wann eröffnet werden kann, stehen schwer (be-)greifbare Unwägbarkeiten gegenüber.